Bundestagsabstimmung

Suizidhilfe bleibt ungeregelt - Ausbau der Prävention

Die Suizidbeihilfe bleibt in Deutschland weiterhin ungeregelt. Im Bundestag fand am Donnerstag keiner der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung die notwendige Mehrheit. Mit 688 von 693 Abgeordneten sprach sich aber eine überwältigende Mehrheit für eine Stärkung der Prävention aus.

Grundsätzlich ist der Suizid in Deutschland nicht verboten und ebenso wenig die Beihilfe. Die Gesetzentwürfe von zwei Abgeordnetengruppen aus verschiedenen Fraktionen wollten aber genauer festlegen, wer unter welchen Umständen ein tödliches Mittel verschrieben bekommen darf und vulnerable Gruppen vor Missbrauch schützen.

Zunächst lehnte das Parlament einen Entwurf der Gruppe um die Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) mit 304 Ja- und 363 Nein-Stimmen bei 23 Enthaltungen ab. Er wollte vor Missbrauch schützen und dazu die geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung grundsätzlich erneut unter Strafe stellen, allerdings geregelte Ausnahmen zulassen. Der konkurrierende Entwurf einer Gruppe um die Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) wollte das Recht auf selbstbestimmtes Sterben und die Hilfe dazu ermöglichen. Er erhielt nur 287 Ja-Stimmen bei 375 Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen.

Der angenommene gemeinsame Antrag beider Abgeordnetengruppen zur Stärkung der Suizidprävention verweist darauf, dass sich 2021 insgesamt 9.215 Menschen das Leben nahmen. Er fordert die Bundesregierung auf, bis in einem Jahr einen Gesetzentwurf und eine Strategie für die Suizidprävention vorzulegen. Die Regelung solle unter Einbeziehung etwa der Telefonseelsorge oder sozialpsychiatrischer Dienste einen bundesweiten Suizidpräventionsdienst etablieren. Menschen mit Suizidgedanken wie auch ihren Angehörigen sollten rund um die Uhr online und unter einer bundeseinheitlichen Telefonnummer einen sofortigen Kontakt mit geschulten Ansprechpartnern ermöglicht werden. Ferner solle die Forschung ausgebaut werden.

Die nunmehr gescheiterten Gesetzentwürfe waren eine Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020. Das Gericht hatte das 2015 beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig erklärt und ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben postuliert - unabhängig von Alter, Krankheit oder individueller Begründung. Dazu könne der Sterbewillige auch die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen. Zugleich empfahlen die Richter dem Gesetzgeber, ein Schutzkonzept zu verabschieden. Castellucci begründete die von ihm favorisierte Regelung damit, "Rechtssicherheit, Klarheit und Schutz" zu schaffen. Die Möglichkeit, ein todbringendes Mittel zu verschreiben, verlange nach einem Konzept, das auch sanktioniert werden müsse. Der Suizid dürfe nicht zum Modell werden.

Nach den Worten von Helling-Plahr ging es ihrer Regelung um das Recht Betroffener, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Dazu wollte sie ein transparentes Verfahren für die Verschreibung eines lebensbeendenden Mittels schaffen. "Ein gegen die Autonomie gerichteten Lebensschutz kann und darf es nicht geben", sagte die FDP-Abgeordnete.

Die Ärzteschaft, Kirchen und viele Interessenverbände hatten im Vorfeld vor allem auf eine Stärkung der Prävention gedrängt, zumal der allergrößte Teil der Suizidwünsche auf Krankheiten wie Depressionen oder seelische Not zurückzuführen sei.

KNA

06.07.2023 - Politik , Recht & Gesetz , Suizid